Häufigste Todesursache bei Vögeln: Straßenverkehr, Gebäude und Gift
Von Januar 2007 bis Mai 2013 wurden am CVUA Stuttgart 447 Tierkörper tot oder moribund aufgefundener heimischer Wildvögel auf ihre Krankheits- bzw. Todesursache untersucht. Das Spektrum umfasste 53 Arten aus 24 Familien, vom Höckerschwan bis zum Zwergspecht. Etwa 50 % der untersuchten Wildvögel entfielen auf nur 5 Arten, nämlich Straßentauben, Mäusebussarde, Amseln, Stockenten und Höckerschwäne. Der größte Teil der Vögel (43,2%) fiel physikalischen Schädigungen zum Opfer. Bei 129 der untersuchten Wildvögel wurde ein stumpfes Trauma als Todesursache diagnostiziert. Aufgrund des Fundortes der Vögel kann davon ausgegangen werden, dass die meisten dieser Vögel durch Unfälle mit Kraftfahrzeugen oder durch Anfliegen gegen Fensterscheiben und Gebäude starben. Aber auch der Fang in Fallen für Singvögel, Abschuss, Stromunfälle an Hochspannungsmasten, Vergiftungen – z.B. durch ausgelegte Köder – oder der Angriff von Beutegreifern konnte nachgewiesen werden. Vor allem Raubvögel kommen häufig durch Hochspannungsleitungen, Strom-Gittermasten, Gift und vor allem im Straßenverkehr zu Tode.
Als zweithäufigste Todesursache (29,1%) wurden Infektionen mit Bakterien, Viren oder Pilzen und Parasitosen gefunden. Bei 11,4% der untersuchten Tierkörper wurde eine Vergiftung nachgewiesen. Andere Todesursachen wie Verhungern oder Organerkrankungen machten 2,9% der Fälle aus. Bei 13,4% der Wildvögel konnte keine Diagnose gestellt werden.
Kollisionsgefahr mit Windrädern vergleichsweise gering
Seit dem Jahr 2000 gibt es eine bundesweit zentrale Fundkartei „Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland“. Aus der artbezogenen Auflistung wird deutlich, dass Großvögel, insbesondere die Arten Rotmilan, Mäusebussard und Seeadler häufiger aufgefunden werden als andere Großvogelarten. Graureiher, Schwarzstorch, Singschwan, Gänse, Fischadler, Habicht, Sperber, Raufuß- und Wespenbussard, Wiesen-, Rohr- und Kornweihen, Wander- und Baumfalke, Merlin, Kranich, Kiebitz, Eulenvögel sowie Spechte sind dagegen nicht oder nur sehr vereinzelt gefunden worden[1].
Probleme können aber entstehen bei Vogelarten, die sich über längere Zeiträume im Höhenbereich der Rotoren aufhalten, wie beispielsweise manche Greifvögel (z.B. Rotmilan) oder bei solchen, die immer wiederkehrend beim Wechsel von Nahrungsraum und Horst die Rotorenbereiche durchfliegen. Offensichtlich ist, dass der Zusammenhang zwischen dem bevorzugten Lebens- und Jagdraum sowie dem Zugraum der Vögel und dem Windradstandort betrachtet werden muss und es keine generelle Gefährdung von Raubvögeln bzw. Milanen durch Windenergie gibt. Die Häufigkeit von Kollisionen ist zum einen Art-abhängig [1], sie ist aber auch abhängig von der Geländestruktur und damit dem Bewergungsmuster der Greifvogelarten. So sind Rotmilane Bewohner des Offenlandes, sie haben ihre Horste am Waldrand und fliegen relativ niedrig. Windräder bis 100 m Höhe im Flach- und Offenland haben daher für den Rotmilan ein höheres Gefährdungspotenzial als Windräder im bewaldeten Hügelland oder Windräder in Schwachwindregionen mit einer Nabenhöhe von über 140m, da Rotmilane sich dort nicht zum Brüten aufhalten oder auf Nahrungssuche sind. Insofern muss jede Art in bezug auf den Windradstandort einzeln betrachtet werden.
Lebensraum und Verhalten: Roter Milan
Der Rotmilan baut seinen Horst oft am Waldrand mit Altholzbestand in über 20 m Höhe. Sein Lebensraum ist im Offenland (Senken, Ebenen, Täler) mit kurzer, lückiger Vegetation (z.B. Agrarland, Grünland, Brachen). Rotmilane jagen aus dem Suchflug heraus über offenem Gelände. Dazu legen sie weite Strecken meistens im Gleit- und Segelflug zurück. Die Beute in Form von Kleinsäugern (Mäuse, Hamster, Maulwürfe, Junghasen) oder kleinen bis mittelgroßen Vögeln, wird meist im Vorbeiflug blitzschnell ergriffen. Zum Balzen oder Revierverteidigen vollführen Rotmilane spektakuläre Schleifensturzflüge[1][5].
Der Rotmilan ist besonders durch Intensivlandwirtschaft gefährdet (Anwendung von Pestiziden – Rückgang an Nagetieren, aber auch direkte Vergiftungen). Es hat sich außerdem gezeigt, dass er sehr viel häufiger als andere (Greif-)vögel an Windkraftanlagen verunglückt. Auch an Straßen, Bahnlinien und Stromtrassen zählen Rotmilane zu den regelmäßigen Opfern[5].
Rotmilan und Windenergieanlagen
Der Rotmilan zeigt in der Regel kein Meideverhalten gegenüber Windrädern. Er ist in Relation zu seiner Bestandsgröße bisher besonders häufig an Windparks in weiträumigen Agrarlandschaften des östlichen Binnenlandes verunglückt. Es wird vermutet, dass Randstrukturen und eine verbesserte Nahrungssituation am Fuße der WEA (Ruderalfluren und Schotterflächen) eine hohe Attraktivität auf die Tiere ausüben. Die Mehrzahl der Funde fiel auf die Monate August, April, Mai sowie August und September[1].
Die von Rotmilanen genutzten Höhenbereiche über Grund sind von zentraler Bedeutung zur Einschätzung der Kollisionswahrscheinlichkeit. Sie ist umso geringer, je seltener sich Rotmilane, insbesondere während der Brutzeit, in der Höhenlage des Wirkbereichs von Windenergieanlagen, also dem Rotorbereich, aufhalten. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand ist festzustellen, dass sich Rotmilane[1]
- während der Brutzeit ganz überwiegend im Höhenbereich bis 50 m, vereinzelt auch bis 80 m Höhe über Grund aufhalten
- im Vorfeld der Brutzeit während der Balz sowie im Spätsommer mit beginnendem Zugverhalten werden größere Höhenbereiche genutzt
- während der Zugperiode liegen die genutzten Höhenbereiche oberhalb der Wirkzone von WEA. Hier sind keine Kollisionsopferfunde bekannt
Regelungen: fachlich notwendiger Abstand zum Horst ist einzuhalten[4].
Weitere, mögliche Maßnahmen: WEA-Standorte in zusammenhängenden Waldgebieten reduzieren offensichtlich die Gefährdung des Rotmilans durch Vogelschlag ganz erheblich.
Dauerhafte Holzlagerstätten unterhalb der WEA sind zu untersagen, damit der Rotmilan keine attraktive Jagdgründe vorfindet. Dagegen sollten Ruderalflächen mit extrem niedrigem Gehölz (z.B. Heidearten, Wald-Blaubeere, Ginster) statt Grasarten im Bereich der WEA hergestellt werden.
In Absprache mit Ornithologen sind darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Kollisionsrisikos denkbar[4]:
- verhaltensspezifisches, kurzfristiges Abstellen der Anlagen bei Balz und Bettelflugphase der frisch flüggen Jungvögeln
- Ablenkungsfütterung (kurzfristig / übergangsweise)
- Lebensraumaufwertung: nähere Umgebung der WEA wie oben beschrieben unattraktiver machen und WEA entfernte Standorte aufwerten (was sich in der Praxis bereits vielfach bewährt hat)
- Schutz von Altholzbeständen in WEA entfernten Bereichen
Links
- Deutscher Naturschutzring (DNR): Grundlagenanalyse 2012
- NABU: Naturverträglicher Ausbau der Windenergie
- Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Leitfaden – Berücksichtigung der Narutschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen in Hessen
- Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung – Landesentwicklungsplan 2013 inkl. Avifauna Gutachten
- NABU: Der Rotmilan
- NABU: Der Kranich
- NABU: Zugvögel – Kraniche
- NABU: Zugvögel – Gänse
- Klimaschutz-Netz: Das Märchen vom Vogelmord durch Windenergieanlagen
Quellen: Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA), http://rotmilan-lippe.blogspot.de/, www.prowindkraft-niedernhausen.de/niedernhausen/tierwelt/vogelarten/#[4] „Windkraft und Vögel“
Text zusammengestellt von Evelyn Villing, Energiewende Landkreis Starnberg e.V.
Foto: Erich Marek, natur-portrait.de, Tielbild: Niedersächsiscger Bildungsserver, www.nibis.de