Interview mit dem Berger Bürgermeister a. D. Rupert Monn
Das Gespräch führte Ernst Deiringer, Vorstandsmitglied Energiewende Landkreis Starnberg e.V., am 26. März 2020
Rupert Monn, Bürgermeister a. D.
Rupert Monn (EUW) war zwanzig Jahre lang, bis April 2020, Erster Bürgermeister der Gemeinde Berg am Starnberger See. Während seiner Amtszeit gingen gegen allerhand Widerstände vier Windräder in Berg ans Netz, bislang die einzigen im Landkreis.
Zunächst herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen für ein Interview mit dem Verein Energiewende Landkreis Starnberg e.V.. Was war Ihre Motivation, das Projekt Windkraftwerke in Angriff zu nehmen?
Die Motivation war unterschiedlich. Einerseits meine Grundeinstellung, dass wir von der Atomkraft wegkommen müssen. Das wurde mir in die Wiege gelegt, die Angst vor der Atomkraft mit einem eventuellen 3. Weltkrieg. Mein Vater war Spätheimkehrer aus der russischen Gefangenschaft und hat die Angst vor einem weiteren Krieg auch an uns Kinder weitergegeben. Die Atomkraft ist in meinen Augen das Schlimmste, was die Menschheit bisher erfunden hat. Es gibt zum Beispiel bis heute kein Endlager für atomare Abfälle.
Andererseits kämpfte ich noch als Gemeinderat in den Achtzigerjahren gegen ein Windrad auf der Maxhöhe und hätte mir damals nie vorstellen können, dass ich einmal ein vehementer Verfechter der Windenergie werden könnte. Dieses recht kleine Windrad wurde sehr nah an der bestehenden Bebauung mit allen Problemen von Lärmbelästigung und Schlagschatten gebaut.
Als 2012 der gleiche Investor auf der Maxhöhe ein zweites Windrad in die Nähe der Wohnbebauung errichten wollte, war es mit der Anlass für den Landkreis Starnberg, nach Flächen Ausschau zu halten, die für die Windkraft geeignet sind. Für mich als Bürgermeister war das die Motivation, geeignete Flächen in Berg zu suchen und als Bürgermeistersprecher auch im ganzen Landkreis. Deshalb unterstützte ich Herrn Landrat Roth und Herrn Kreisbaumeister Dr. Kühnel in ihrem Vorhaben, für alle Landkreisgemeinden Teilflächennutzungspläne zu erstellen. Damit wurde erreicht, dass nur auf diesen Flächen Windräder errichtet werden konnten.
Die einzige Realisierung in der Gemeinde Berg kam dadurch zustande, weil sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat das Vorhaben zu 100% unterstützten und sich zur richtigen Zeit die richtigen Leute zusammengefunden haben. Die Verhandlungen mit den Stadtwerken München fanden nicht auf Augenhöhe statt. Daraufhin wandte ich mich an das Ingenieurbüro Sing. Mit ihm konnte eine gute gegenseitige Vertrauensbasis für die fachliche und politische Kompetenz geschaffen werden. Und so beschlossen wir nach Inkrafttreten der Teilflächennutzungspläne das Vorhaben nach Bundesimmissionsschutzgesetz zu starten.
Als im Jahr 2010 im Landkreis die Teilflächennutzungspläne Windkraft in der Diskussion waren gab es Stimmen, die darin ein Verhinderungsinstrument für Windkraftanlagen sahen. Sahen Sie darin eher eine Chance oder eine Bremse für die Windkraft im Landkreis?
In erster Linie eine Chance, denn damit kristallisierten sich landkreisweit geeignete Flächen heraus. Ich war sehr stolz und zufrieden, dass wir einen geeigneten Standort hatten. Es gab durchaus einige Gemeinden oder Bürgermeister, die sich zurücklehnten und leichtfertig sagten: ja, ich würde ja gerne, aber bei uns geht’s halt nicht. Im Landkreis hätte es sicher drei bis vier weitere Standorte gegeben, an denen eine Realisierung möglich gewesen wäre, wenn man sie mit gleicher Intensität wie in Berg vorangetrieben hätte.
Bekamen Sie in der Planungsphase von Kreistag und Kreisbauamt eher Unterstützung oder gab es hier eher Widerstände?
Die Wadlhauser Gräben liegen im Landschaftsschutzgebiet. Die entsprechende Verordnung wurde damals dahingehend geändert, dass auch im Landschaftsschutzgebiet Windkraftanlagen errichtet werden dürfen. Der Kreistag hat mit großer Mehrheit der Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung zugestimmt. Und ohne die große Unterstützung der Kreisverwaltung und des Kreisbaumeisters würden die Windräder heute nicht stehen.
Wie beurteilten Ihre Bürgermeister-Kolleg*innen Ihr Vorhaben?
Im Großen und Ganzen haben die Kolleg*innen Bürgermeister es sehr geschätzt, dass wir in Berg das Projekt vorantreiben. Einige Bürgermeister waren sehr zurückhaltend, da sie der Meinung waren, am Starnberger See baut man keine Windräder.
Welche Bedenken gab es während der Genehmigungsphase seitens der Träger öffentlicher Belange?
Von Seiten der Naturschutzbehörden gab es sehr große Auflagen. Für mich war es von Anfang an klar, dass vorübergehend gerodete Flächen wieder aufgeforstet werden und für verlorene Flächen zukunftsträchtiger Mischwald in gleicher Größenordnung gepflanzt wird.
Dass wir zusätzlich noch etwa 350.000 Euro in einen Umweltfonds einzahlen mussten, habe ich nicht verstanden, da wir doch mit der regenerativen Energie der Windräder schon einen großen Beitrag für den Umweltschutz leisten. Vergessen werde ich nie, dass die Obere Naturschutzbehörde mit aller Vehemenz den Bau der Windräder verhindern wollte. Der Wespenbussard wurde dazu instrumentalisiert.
Die Staatsregierung plante im Zeitraum der Genehmigungsphase die Einführung der 10H-Regelung. Welchen Einfluss hatte dies auf Ihre Planungen?
Der Atomunfall von Fukushima gab uns während der Planungsphase einen großen Auftrieb. Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer forderte den Bau von 1.800 Windrädern in Bayern. Kurze Zeit später kam mit der 10H-Regelung eine totale Kehrtwende. Bei einem Empfang im Kloster Andechs legte mir Seehofer die Hand auf die Schulter und sagte: „Herr Bürgermeister, lassen Sie die Finger davon, das wird nichts“. Und es ist doch etwas geworden. Gerne würde ich ihm dies persönlich mitteilen.
Einen Tag, bevor die 10H-Regelung in Kraft trat, bekamen wir die Genehmigung zum Bau der Anlagen. Zu Herrn Landrat Roth sagte ich damals, ich bleibe so lange vor dem Landratsamt sitzen, bis ich rechtzeitig die Genehmigung in der Tasche habe. Ende September 2014 bekamen wir von der Oberen Naturschutzbehörde die Mitteilung, die bereits erteilte Genehmigung sei nicht rechtmäßig und wir sollten zu einem Termin nach München kommen. Bei diesem Termin wurde uns mitgeteilt, wir hätten in der Genehmigungsphase den Wespenbussard nicht genügend berücksichtigt. Der Vorschlag der Regierung war, wir sollten die Genehmigung zurückgeben. Ich lehnte dieses Ansinnen mit der Begründung ab, dass schon über eine halbe Million Euro investiert wurde. Sollten sie die Genehmigung einziehen, würden wir sofort dagegen klagen.
Die Genehmigung wurde dann zwar nicht eingezogen, die Situation für uns war jedoch monatelang offen. Trotzdem begannen wir im November mit der Rodung aller vier Standorte. Nach einem weiteren Termin bei der damaligen Umweltministerin Ulrike Scharf bekamen wir von ihr ein Schreiben mit der klaren Aussage, die Genehmigung sei rechtmäßig.
Von Beginn der Planungsphase bis zur Fertigstellung gab es eine Reihe von Protesten, Klagen, Gegendemonstrationen sowie Artikel mit persönlichen Angriffen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Das war eine ganz harte Zeit für mich. Sogar meine erwachsenen Kinder fragten schon: „Papa, warum tust Du Dir das an?“ Wenn man jedoch so tief in einem Projekt drinsteckt, gibt man nicht einfach auf. Es sind damals Freundschaften zerbrochen – auch welche aus der Jugendzeit – die bis jetzt nicht gekittet wurden. Aber das Schlimmste und zugleich pietätlos waren die Demonstrationen mit Sarg, Sterbebildchen und Todesanzeigen. Die im Umkreis von Berg aufgehängten beleidigenden Transparente gegen mich persönlich, Herrn Landrat Roth, Herrn Dr. Kühnel und Herrn Sing waren nicht schön, aber zu ertragen.
Stimmen die bisherigen Ergebnisse der 4 WKA’s mit den Erwartungen überein?
Nachdem alles abgeschlossen ist, bin ich glücklich und stolz darauf, dass wir das durchgezogen haben. Es ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch ein toller Erfolg. So konnten für 2015 4 Prozent, für 2016 4 Prozent, für 2017 6 Prozent und für 2018 5 Prozent Dividende ausgezahlt werden. Für 2019 ist aller Voraussicht nach mit einer wesentlich höheren Dividende zu rechnen.
Es gab von den Gegnern ja sehr oft auch das Argument, die voraussichtlichen Erträge seien viel zu hoch angesetzt, der Wind sei zu gering.
Für die Wirtschaftlichkeit spielen noch weitere Faktoren, wie zum Beispiel eine kostengünstige Erschließung, die Vermarktung und niedrige Verwaltungskosten eine große Rolle. Die Erträge nach den ersten fünf Jahren sind insgesamt höher als erwartet. Und die absolut widersprüchliche Argumentation der Gegner war ja oft, einerseits würde der Wind in der Gegend für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht ausreichen, andererseits warfen sie der Gemeinde Berg und den Investoren vor, ihre Geldgier würde die gesamte Landschaft um den Starnberger See kaputt machen.
Wie stehen Sie persönlich zu den Themen Energiewende, Klimaschutz und dem Landkreisziel 2035, einer CO2-freien Energieversorgung?
Es ist klar, mit den Windrädern allein ist nicht alles getan. Die Windräder tragen für Berg einen sehr großen Teil dazu bei, eine CO2-freie Energieversorgung zu erreichen. Wir haben an dieser Stelle eine gewisse Vorreiterrolle. Ich bin jedoch ein wenig enttäuscht, dass in anderen Gemeinden sehr viel darüber gesprochen, jedoch wenig gehandelt wird. Berg ist ja als einzige Gemeinde nicht dem Klimapakt beigetreten. Ich wollte damit als Bürgermeister kundtun, wir haben in Berg tatsächlich etwas geschaffen und halten uns nicht auf mit Reden, Pläne schmieden und Ziele setzen.
Welche Erfahrungen sind für Sie aus dem Gesamtablauf wichtig? Welche Tipps können Sie möglichen Nachahmern geben?
Es wäre zu einfach, anderen Gemeinden zu empfehlen, macht es so, wie wir es gemacht haben. Ich kann nur wiederholen: Für ein solches Projekt müssen die richtigen Leute am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zusammenkommen. Auch bezüglich der allgemeinen Stimmung gegenüber den regenerativen Energien und speziell bezüglich der Windkraft gibt es immer wieder eine gewisse Wellenbewegung. Abgesehen von der derzeitigen Situation mit Corona, wo wir noch nicht wissen, wie sich das entwickelt, gibt es derzeit nach meiner Einschätzung eine gewisse Grundstimmung in der Bevölkerung, bei der es möglich sein könnte, dass weitere größere Projekte mit regenerativen Energien, speziell auch mit Windkraft, im Landkreis Starnberg akzeptiert werden könnten. Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann und darf, wie wir die letzten Jahrzehnte mit Energiethemen umgegangen sind, es wurde nämlich viel darüber geredet, aber nicht gehandelt.