Die Tupper-Energiewende
Energie-Abende mit Nachbarn anstatt „Brutzeln im eigenen Saft“
Damit die Energiewende funktioniert, helfen offensichtlich keine noch so tollen Broschüren und keine CO2-Emissionenrechner und auch Subventionen überzeugen nur mäßig. Selbst Aspirin versagt, resümiert der Kolumnist Martin Unruh. Und das zeigt auch die Praxis in unserem Landkreis: Trotz eines definierten Energiewendeziels und vieler Veranstaltungen und Aktionen geht es nicht so recht voran. Es wird weiterhin zu viel Energie verbraucht – sogar mit steigender Tendenz.
Aber: Wie bekommt man nun Leute zum Energiesparen in den eigenen vier Wänden? Was ist möglich anstelle des dauernden „Man müsste mal …“ und einer abgehobenen akademischen Nabelschau, die letztlich an der Zielgruppe vorbei geht? Was tun anstelle aufwändiger, kraftraubender Veranstaltungen, die fast nur von den ohnehin längst Überzeugten besucht werden?
Dann funktioniert‘ s auch mit dem Nachbarn
Konsumverhalten sei besonders in der Nachbarschaft ansteckend, blogt Unfried in der TAZ. Darum funktionieren offenbar die Tupper-Parties so gut. Und deshalb ist der Ansatz mit der Tupperparty auch und gerade für die Energiewende vielleicht gar nicht so verkehrt?
„Tupper macht ja bis heute was ganz Gemeines und Verabscheuungswürdiges“ sagt der Kolumnist. „Tupper macht sich soziale Beziehungen von Freunden und Bekannten zunutze, um Plastikschüsseln zu verkaufen. ‘Also gut‘, sagt da die Nachbarin am Ende des geselligen Abends bei Heidi im Wohnzimmer, ‘dann nehme ich auch noch eine Salatschleuder mit für 33,80 Euro, weil es halt doch so nett war.‘“
Genauso könnte das also auch in Sachen Energiewende funktionieren? Warum veranstalten wir nicht einfach mal Energie(spar- und -effizienz)parties im Wohnzimmer von Bekannten? Ökostrom-Parties sind ja auch schon ziemlich erfolgreich – aber vielleicht muss es noch intimer sein?
Die Anregung lautet: Die Gastgeber kriegen ein kleines Geschenk. Was zum Energiesparen oder Gutscheine für die Getränke. Und die müssen dann ihre lieben Freunde und Nachbarn einladen, jeder mit seiner Strom-, Heizöl- und Gasrechnung bewaffnet. Dann wird verglichen. Vielleicht erschrickt dann so manch einer, weil er so viel mehr verbraucht und bezahlt als andere in der Runde. Da sollten wir hin – zu dem Gespräch über „Weniger ist machbar, Herr Nachbar.“ Und dann zeigen wir den Leuten unsere (hoffentlich) eigenen niedrigen Energie-Rechnungen, schwärmen von unseren neuen Fenstern, den Modulen und Kollektoren, und von der atmungsaktiven Isolierung oder der Lüftung mit Wärmerückgewinnung im Bad. Und – warum eigentlich nicht – auch den schicken Designer LED-Lampen und dem neuen Fahrrad oder Pedelec und …
Es ist ein weiter Pfad von der Idee zur Tat
Ja, das stellen wir fast täglich fest. Wir haben einerseits schon einiges erreicht. Und doch kommen wir nicht schnell genug voran mit unserer Energiewende. Es gäbe keine verbindlichen Einsparziele, Richtwerte und detaillierten Werte über Verbrauch und Bedarf im Landkreis und keine eindeutigen gemeinsamen Strategien, also kein landkreisweites einheitliches Konzept, wird denn auch (immer öfter) bemängelt.
Würde die Energiewende, wenn wir dieses alles (samt einem Energie- und Klimaschutz-Zentrum) hätten so viel besser funktionieren? Wohl kaum.
Aber wir haben andererseits schon viele gute Beispiele und wir haben eine Infrastruktur und eine gute Vernetzung geschaffen. Wir haben Menschen die sich einsetzen. Und: Wir alle haben viele Nachbarn, die was tun könnten. Letztere gilt es zu erreichen.
Natürlich wird auch bei der Energiewende- Tupper-Party gelten: „Redlich nährt sich das Eichhörnchen!“
Und dennoch: Könnten nicht auch solche Energie-Parties ein weiterer Mosaikstein in unserem landkreisweiten Energiewende-Konzept sein? Wäre dies nicht eine wirkungsvolle Möglichkeit, Menschen zum Mitmachen zu gewinnen, sie überhaupt erst zu erreichen? Menschen, an denen wir sonst vorbeireden? Wäre das nicht wichtig, zusätzlich zu all den anderen wichtigen Dingen, die wir tun: unseren Vorträgen, Energiepreisen, Medienberichten, Blogs und Informationsangeboten?
Wir müssen alle Kanäle nutzen, um möglichst Viele zu erreichen, und wir müssen mehr über unsere eigenen Erfolge sprechen und die Beispiele aufzeigen. Statt “Was sollte und könnte man tun” das “Wie funktioniert’s im Alltag, was haben wir wo schon erreicht!” Alle, die sich tagtäglich bemühen und kleine und große Maßnahmen in ihrem Alltag umsetzen, müssen wir vor allem entsprechend würdigen und allen anderen das bisher Erreichte selbstverständlich auch zeigen und damit den Austausch anregen. In jeder Gemeinde, in jedem Ortsteil. Austauschen und Angucken – und gleich noch ein paar Neugierige zur Besichtigung mitnehmen – das geht im kleinen Rahmen doch besonders gut …
Vielleicht sollten wir zusätzlich eine Plattform im Internet und auf Facebook für gute Beispiele der Bürgerinnen und Bürger einrichten? Und so noch mehr gelungene Beispiele im Kleinen, aus dem Alltag zeigen?
So könnte die Energiewende von unten gelingen – unsere Tupper-Energiewende.
Verfasser: Energiewende Landkreis Starnberg e.V. – Evelyn Villing, angeregt durch Martin Unfried