Windenergie: Sorgt mehr Abstand für mehr Akzeptanz?
Überzeugte Windkraft-Gegner fordern von Politikern mehr Abstand zur Wohnbebauung. Damit wird suggeriert, dass mit größeren Abständen zu Siedlungen mehr Akzeptanz erreicht wird. Landläufig wird dieser Argumentation so sehr geglaubt – insbesondere von Politikern -, dass sie nicht zuletzt in Bayern zur 10-H-Regelung geführt hat. Doch der Abstand von Windrädern zu Wohnanlagen korreliert nicht mit der Akzeptanz, wie eine aktuelle Studie der Universität Halle-Wittenberg zeigt.
Viele Windkraftgegner argumentieren: Je weiter eine Windanlage von Dörfern und Gemeinden weg ist, desto besser. Am besten wäre natürlich, wenn es gar keinen Sichtkontakt mehr gäbe. Bayern führte deshalb im vergangenen Jahr die sogenannte 10-H-Regelung ein. Diese besagt, dass der Abstand einer Windkraftanlage zu Wohnhäusern das Zehnfache ihrer Höhe betragen muss, es sei denn, die Gemeinde stellt in einem langwierigen Verfahren einen Bebauungsplan auf und findet für den Abstand eine eigene Regelung, z.B. nach den Vorgaben des Bundesimmissionsschutzrechts und der TA Lärm. Wird jedoch 10 H angewendet, bedeutet dies bei modernen Anlagen, die bis zu den Rotorblattspitzen rund 200 Meter Höhe erreichen, einen Abstand von zwei Kilometern zu Wohngebieten. Gerade in Südbayern bedeutet 10 H eine drastische Einschränkung und behindert den Zubau von Windenergie. Dies wiederum widerspricht den nach wie vor auch in Bayern bestehen Ausbau- und Energiewendezielen.
Doch wie ist es wirklich? Der aktuellen Untersuchung der Forschergruppe um Prof. Hübner und Dr. Pohl zufolge, besteht keinerlei Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Abstand zu Windrädern. Außerdem ist auch nicht die Mehrheit gegen Windenergie, sondern vielmehr gelingt es der Minderheit der aktiven Windenergiegegner, die passive Mehrheit mit ihren Behauptungen zu den negativen Wirkungen von Windrädern auf Gesundheit und Umwelt zu verunsichern.
Über mehrere Jahre haben die Forscher mehr als 1.300 Personen, die in unmittelbarer Nähe zu Windanlagen wohnen, zu ihren Probleme und Sorgen mit Windanlagen befragt. Heraus kam, dass die Beschwerden relativ unabhängig davon waren, wie nahe eine Anlage vom Wohnort der Befragten entfernt ist und ein enger Zusammenhang zwischen den Einstellungen der Anwohner zur Windenergie allgemein und den lokalen Windrädern besteht: Wer positiv zur Windenergie eingestellt war, war es auch eher gegenüber den Anlagen vor Ort. Die Untersuchung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entlarvt somit die Abstandsdiskussion der Windkraftgegner als Propaganda.
Ein Zusammenhang zwischen Abstand und Akzeptanz ist am ehesten bei der Geräuschbelästigung festzustellen: Bei einem Abstand von unter 800 Metern zum Haus geben etwas über 20 Prozent der Befragten an, sich gestört zu fühlen, bei 1.200 Metern sind es nur noch knapp vier Prozent. Allerdings steigt die Zahl der „Geschädigten“ ab 1.400 und bei über 2.000 Metern wieder an. Bei den allgemeinen Belästigungen wie dem Rotorschatten, dem Landschaftsbild oder der Drehbewegung verschwimmt der Zusammenhang von Abstand und Beschwerdeumfang noch mehr.
„Unsere Daten zeigen eindeutig, dass wir die Akzeptanz der Windenergie nicht über Abstandsregelungen lösen werden“, erklärt Gundula Hübner von der Universität Halle. „Es muss endlich sachlich über die wirklichen Ursachen der Ablehnung von Windanlagen diskutiert werden“, meint die Professorin. Sie hat zusammen mit den Autoren der Studie vor Ort mit Windkraftgegnern und Befürwortern diskutiert und deren Meinungen in Zahlen gefasst.
Dabei kam heraus, dass die meisten Bedenken das veränderte Landschaftsbild und die Geräuschentwicklung betreffen. Allerdings korrelieren auch hier die Zahlen nicht wirklich; im Durchschnitt liegen die schlechtesten Werte auf der Skala genau auf der Mitte zwischen die Windanlage „stört gar nicht“ und „stört sehr“. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind beispielsweise laut den Befragungen verschwindend niedrig. Insgesamt sind es laut Studie zwischen sechs und 18 Prozent der Befragten, die sich – warum auch immmer – durch Windanlagen beeinträchtigt fühlen.
Emotionale Ablehnung und gefühlter Bedrohung ist so nicht beizukommen
Die Auswertung von Untersuchungen zeigt durchgängig, dass die Regularien des Bundesimmisionsschutzes ausreichend sind, um die Bürger und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu schützen, und dass es bei den geäußerten „erlebten“ Beschwerden kaum darauf ankommt, wie weit die Anlage weg ist. So halten Anwohner, die zwei Kilometer weit weg wohnen, die Windanlagen häufiger für eine allgemeine „Bedrohung“, als Anwohner, die weniger als zwei Kilometer entfernt wohnen.
Windenergieanlagen (WEA) gelten bei Gegnern – nsbesondere ohne Vorerfahrung – als stark geräuschbelästigend. Windräder sollen dadurch Stress verursachen und sie seien krankmachend. Auch hier zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass Anwohner eines Windparks diesen mehrheitlich als nicht geräuschbelästigend empfinden.
Wenn Abstandsregelungen also nicht die Lösung gegen das „Bedrohungsgefühl“ und subjektiv empfundene Beschwerden sind, was kann man dann tun? Konsequent und frühzeitig die Bürger informell beteiligen, damit diese sich eine Meinung ohne die Angstrhetorik von Windkraftgegnern bilden können. So können die Anregungen und Bedenken der Anwohner aufgenommen und gemeinsam bearbeitet werden, ja sogar in die Gestaltung von Windparks aber auch die Entwicklung von Windrädern können Beobachtungen und Vorschläge der Bürger einfließen.
Die Mehrheit ist für Windenergie
Schließlich sind die meisten Bürger auch vor Ort für die Windenergie und für erneuerbare Energien, sie verhalten sich aber passiv und müssen daher aktiv über Vorhaben informiert werden. Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen haben zwar Hochkonjunktur, doch die passiven Bürger gegen Windenergie sind mit 15 % in der Minderheit, nur 2-3 Prozent treten aktiv gegen erneuerbare Energien und Windräder ein; dies jedoch sehr lautstark. Sie ziehen zur Durchsetzung ihrer Interessen alle Register und auch alle nur erdenklichen Argumente heran, die ihre Überzeugung stützen: von Schäden durch unhörbaren Infraschall bis zum zigtausendfachen Vogelschlag an Turbinen. Umso wichtiger ist es, den möglicherweise von einem Windenergieprojekt betroffenen Bürgern, die sich in einem steten Meinungsbildungsprozess befinden, umfassenden Zugang zu sachlicher Information zu verschaffen, den gesamten Prozess transparent zu machen, in den Dialog zu treten und die Bürger auch direkt zu konsultieren.
„Die Menschen dürfen nicht einfach von Windparkprojekten überrollt werden“, sagt Gundula Hübner. Ressentiments seien schnell geschürt und entstünden vor allem, wenn sich die Menschen zu wenig informiert und ausgeschlossen fühlen, so die Wissenschaftlerin.
Finanzielle Bürgerbeteiligung führt zu mehr Akzeptanz
Werden Bürger finanziell an Windrädern beteiligt, steigt die Akzeptanz erheblich, wie ebenfalls die o.g. und andere Untersuchungen und Praxisbeispiele zeigen. So zeigt die Schattenwurf-Studie von Hübner et al., dass nicht der Abstand, sondern eine finanzielle Beteiligung in Zusammenhang mit der Akzeptanz stand: Auch im Nahbereich war die durchschnittliche Einstellung bei finanziell Beteiligten positiv, aber negativ bei Nicht-Beteiligten.
Fazit
„Je mehr die Menschen in den Prozess eingebunden werden, desto rationaler entscheiden sie“, meint auch Ko-Autorin Hübner. Und laut der Studie hat es ja vor allem emotionale Gründe, dass der Windkraft solche Ablehnung widerfährt. Gegen ein stures „Find ich einfach hässlich“ kann man eben nicht viel ausrichten. Allerdings war das stärkste gemessene Gefühl der Befragten weder Wut noch Freude, sondern Neugier.
Umso wichtiger ist es, die Öffentlichkeit so früh wie möglich in die Entwicklung von kommunalen Energiekonzepten, zu denen je nach Region eben auch unverzichtbar die Windenerige zählt. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Bürger – also nicht nur die engagierten, gebildeten Bürger – Zugang zu Information und Beteiligung erhalten, so dass eine wirkliche Meinungsbildung auf allen Ebenen stattfinden kann. Erst am Ende eines gemeinsamen Prozesses können Entscheidungen dann qualifiziert getroffen werden – und das kann dann auch ein Bürgerentscheid sein.
Quelle: Dr. Pohl, Universität Halle-Wittenberg
Verfasserin: Evelyn Villing, Energiewende Landkreis Starnberg e.V.