Fluchtursachen bekämpfen
Kann Entwicklungshilfe wirklich helfen, Fluchtursachen zu bekämpfen? Eine ganz klare Meinung dazu vertritt Karin Riedl, Lehrbeauftragte am Institut für Ethnologie, Ludwig-Maximilians-Universität in München: „Nein – jedenfalls nicht die Sorte ‚Entwicklungshilfe‘, die bisher geleistet wurde. Fluchtursachen sind vor allem in der global ungerechten Verteilung von Ressourcen zu suchen sowie in Kriegen, die aufgrund dieser ökonomischen Spannungen, aber auch westlicher Einflussnahme – wie etwa in Afghanistan und im Irak – ausbrechen.“ Und dazu gehört insbesondere auch das Erdöl. Staaten wie Saudi-Arabien, die radikal-islamische Milizen unterstützen und im eigenen Land ein eisernes Regime mit vielfacher Verletzung von Menschenrechten führen, werden von westlichen Staaten ohne Skrupel unterstützt, weil von dort ‚wertvolles‘ Erdöl kommt.
Nur die Geldgeber und westliche Unternehmen profitieren
Und Entwicklungshilfe bedeutet in den meisten Fällen, dass Geld gezahlt wird und zwar unter der Bedingung, dass sich die Unterstützer für den „neoliberalen Weltmarkt“ öffnen. So sollen einerseits Investitionsmöglichkeiten und andererseits Ressourcenzugang für westliche Unternehmen geschaffen werden. Dirk Niebel erklärte 2011 die Bedeutung von Entwicklungshilfe so: „Jeder bilateral umgesetzte Euro fließt nach Expertenschätzungen mit 1,80 Euro zurück in die deutsche Exportwirtschaft.“
„Die Probleme, die die ‚Entwicklungshilfe‘ zu bekämpfen vorgibt, sind (…) durch sie mitverursacht.“ (K.Riedl)
Laut Riedl können sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge häufig ihren Lebensunterhalt in den Heimatländern genau deshalb nicht mehr bestreiten, „weil die lokale Produktion nicht mit den billigen Gütern mithalten kann, mit denen der Weltmarkt ihre Märkte überschwemmt“.
Mit Konzessionen für Schlüsselbranchen, wie z.B. Öl in Nigeria oder Minen in Peru, an Konzerne aus den reichen Industrienationen, werden, so Riedls Analyse, auch Umwelt- und Sozialstandards systematisch ausgehebelt. Und so den Menschen vor Ort die Lebensgrundlage entzogen: durch Umweltschäden, Gewässer- und Luftverschmutzung und durch die Klimaveränderung mit regionalen Auswirkungen. Noch weit schwerer wiegt die Tatsache, dass um die Rohstoffe – insbesondere um fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas – fast pausenlos und immer wieder erbitterte Kriege geführt werden. Golfkrieg I+ II, Irakkrieg und Syrienkrieg – es hängt letztlich alles mit dem Energiehunger und der Ausbeutung dieser Ressourcen und den resultierenden Macht-Gemengelagen zusammen. Diese Kriege sind eine Fluchtursache – die mit der eingangs beschriebenen Entwicklungshilfemaßnahmen garantiert nicht bekämpft werden kann.
Wie wäre es mit der Energiewende? Diese kann letztlich dazu beitragen, dass weniger Menschen ihre angestammte Heimat und ihre Region verlassen oder gar bis nach Europa flüchten müssen ….
Dazu auch das Video von Hans-Josef Fell
Zusammenfassung: E. Villing
Quellen: BR24-Nachrichten, 20.02.16; Fluchtursache:Kriege um Energie? in: hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 12/2015:24-26
Foto: WWF-Jugend